Transatlantische Korrespondenzen des langen 19. Jahrhunderts: Ein transnationales kulturelles Erbe
Das Forschungsvorhaben zielt auf die Digitalisierung, Erschließung und digitale Analyse einer zentralen Quelle der Geschichte der deutschen Massenauswanderung im 19. Jahrhundert: Briefe, die von einfachen und wenig gebildeten, mobilen und weniger mobilen Menschen im 19. Jahrhundert diesseits und jenseits des Atlantiks geschrieben worden sind. Auswandererbriefe sind eine unersetzliche Quelle für die Kultur‑, Alltags- und Wissensgeschichte von Migration und Mobilität. Sie geben Aufschluss über den alltagsgeschichtlichen transatlantischen Kulturaustausch und das ihn charakterisierende migrantische Wissen.
Auswandererbriefe findet man nur in Ausnahmefällen in Archiven. Sie gehören in der Regel zum kulturellen Erbe einzelner Familien, die die Briefe als Dokumente ihrer transatlantischen Familiengeschichte hüten. Auf deutscher Seite wurde dieses in privater Hand lagernde Kulturgut in zwei Sammelaktionen in den 1980er und 2000er Jahren erhoben. Viele Briefe konnten so auch vor der Vernichtung gerettet werden.
Die Deutsche Auswandererbriefsammlung (DABS) der Forschungsbibliothek Gotha umfasst vor allem sogenannte „homeland letters“ – also Briefe, die von ausgewanderten Deutschen an ihre daheimgebliebenen Familienmitglieder geschickt worden sind. Briefe, die den umgekehrten Weg gegangen sind, d.h. von daheimgebliebenen Familienmitgliedern an ihre ausgewanderten Verwandten geschrieben wurden – sogenannte „America letters“ – werden seit 2018 im Rahmen einer vom Deutschen Historischen Institut Washington geleiteten Sammelaktion in den USA zusammengetragen.
Auch hier befinden sich viele Briefe noch in privater Hand. Anders als im deutsche Fall, finden wir in den USA umfangreiches Material zur Geschichte der deutschen Amerikaauswanderung auch in vielen kleineren Gedächtniseinrichtungen – lokalen „historical societies“, Gemeindearchiven oder genealogischen Vereinen. Dies erschwert die Auffindbarkeit und Zugänglichkeit zu diesem wichtigen Kulturgut. Die Sammlung „German Heritage in Letters“ führt das verstreut liegende Briefmaterial zusammen. Ausgewählte Briefserien werden über die Projekt-Website der Öffentlichkeit präsentiert.
Durch die Digitalisierung der deutschen Auswandererbriefe soll der Zugang zu dieser zentralen Quelle der transnationalen deutschen Geschichte des „langen 19. Jahrhunderts“ erleichtert werden. Die in einem nächsten Schritt geplante digitale Zusammenführung der in Deutschland und den USA liegenden Briefkorpora in einem Briefarchiv zur Geschichte der deutschen Amerikaauswanderung wird die Voraussetzungen schaffen für die Erforschung neuer migrationshistorischer Fragestellungen auch mit Hilfe digitaler Instrumente und Methoden. Das geplante relational strukturierte digitale Quellenkorpus transatlantischer Korrespondenzen wird im Hinblick auf Umfang und Qualität international einzigartig sein.
Für die Realisierung des digitalen Archivs sind umfangreiche Detailarbeiten notwendig: die Briefe müssen teilweise noch transkribiert und historisches Kontextmaterial muss in lokalen Archiven erhoben werden. Hierbei unterstützen uns ehrenamtlich arbeitende Bürgerwissenschaftler. Das „Cultural Heritage Projekt“ zielt deshalb auch auf die Etablierung neuer Formate der Kooperation zwischen Wissenschaft und Bürgerwissenschaft. Wir freuen uns, dass wir mit dem Verein für Computergenealogie einen starken Kooperationspartner gefunden haben.
Das Projekt ist dankbar für jede Form bürgerwissenschaftlicher Unterstützung. Falls Sie Interesse an einer Kooperation haben und uns bei der Sicherung dieses wichtigen Kulturgutes unterstützen wollen, zögern Sie nicht, sich bei uns zu melden!
Weiterführende Links:
Ein Beitrag zu einer Geschichte der “Sprachlosen”